Die Liebe nicht aus den Augen verlieren
Von Danijela Budschun
KREIS RECKLINGHAUSEN. Drei besonders kritische Ehe-Phasen hat Christa Hülsmann in 33 Jahren Beratung ausgemacht: Nach der Geburt der Kinder, wenn diese das Haus verlassen und wenn Arbeitslosigkeit oder Rente die Lebenssituation eines Paares einschneidend verändern.
Häufig stünden Paare dann vor den Fragen: "Wie soll es weitergehen?" oder "Geht es überhaupt weiter?" Bei der Beantwortung hat Christa Hülsmann Hunderten von Paaren im Kreis Recklinghausen geholfen. Die 63-Jährige arbeitete als Beraterin in den katholischen Ehe-, Familien und Lebensberatungsstellen des Bistums Münster in Marl und in Datteln, wo sie zuletzt das Team leitete. Nun wurde sie mit einer Feierstunde im Erich-Klausener-Haus in Recklinghausen in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.
"Ich war die Dolmetscherin", sagt sie mit einem Lächeln. Dolmetscherin zum Beispiel für Paare, die - wenn sie es noch taten - aneinander vorbei redeten. Oder sich schnell mit Verallgemeinerungen angriffen. "Es ist aber etwas ganz anderes, ob man sagt: ?Du räumst nie auf' oder von den eigenen Gefühlen spricht und sagt: ?Ich fühle mich ausgenutzt'", weiß die Fachfrau. Dadurch, dass der Vorwurf ans Gegenüber in persönliches Empfinden übersetzt werde, erreiche man beim Partner aber ein anderes, besseres Verständnis.
Damit sich ein Paar wieder auf sich zu bewegen kann, ist die Antwort auf eine Frage ganz wichtig: "Gibt es noch ein gemeinsames Ziel?" Ist das nicht mehr da, nutze die beste Paarberatung wenig. Doch wenn ein Paar noch eine gemeinsame Zukunft will, kann sie helfen - und beispielsweise den Blick auf die einfachen, kleinen Dinge öffnen, die im zermürbenden Alltag oft untergehen. Die eine Beziehung aber lebendig erhalten.
"Sich füreinander Zeit nehmen, Interesse für den anderen zeigen, etwas miteinander unternehmen", nennt die Recklinghäuserin Beispiele. Dabei wasche eine Hand die andere: "Sie kann mit ihrem Schalke-Fan in die Arena fahren - dafür sollte er dann auch mit ihr in die Disco gehen." Besonders junge Eltern verlieren sich im Stress der neuen Lebenssituation als Paar oft aus den Augen, so die Expertin. "Sie sollten sich ein paar Höhepunkte schaffen. Mal ein Wochenende miteinander ohne die Kinder verbringen, schön essen gehen oder mal abends den Fernseher aus lassen und es sich schön machen."
Paare, die plötzlich "alleine" sind, weil die Kinder aus dem Haus sind, stellen laut Hülsmann manchmal fest, dass sie sich nur noch wenig zu sagen haben - die Kinder als beherrschendes Thema sind weg. In solch einer Situation sei es wichtig, nach neuen Wegen für die Beziehung zu suchen, den neu gewonnenen Freiraum für sich und für die Beziehung zu nutzen: "Dinge gemeinsam ausprobieren, die man vielleicht schon immer machen wollte." Ob gemeinsame Reisen, Hobbys - wichtig sei zudem ein funktionierendes soziales Umfeld. "Das ist außerdem eine gute Vorbereitung auf den Ruhestand", schmunzelt die 63-Jährige.
Wenn eine Beziehung von außen bedroht werde - beispielsweise durch Arbeitslosigkeit - schweiße das häufig zunächst zusammen. Anfangs. Wer die Krise gemeinsam gut gemeistert hat, kann darauf aufbauen, glaubt die Beraterin. Die überhaupt empfiehlt, bewusster hinzusehen. Auf das, was man als Paar erreicht hat, auf das, was man am Partner gut findet - statt nur das Augenmerk auf das zu richten, was einen stört. Denn genau das kann ja auch das sein, was früher ganz charmant war. Hülsmann rät Paaren auch, sich zu erinnern: "Wie man sich kennen gelernt hat, was da wichtig war." So kann sich zum Beispiel der "wortkarge Langweiler" von heute als der "gute Zuhörer" von damals entpuppen - der sich aber nicht wirklich verändert hat, sondern die Wahrnehmung des Partners.
Apropos ändern: "Man kann den Partner nicht ändern, aber sich selbst." Dazu gehöre jedoch auch die Bereitschaft, sich zu hinterfragen, das eigene Verhalten zu verändern - auch im Hinblick auf das, was für den Partner wichtig ist.
Trotz Krisen, trotz kritischer Phasen und trotz ihrer Einschätzung, dass Paare heute schneller auseinander gingen als früher, ist Christa Hülsmann auch für die Zukunft von einem überzeugt: "Partnerschaft ist kein Auslaufmodell."
Die EFL-Beratungsstellen im Kreis RE
Im Kreis RE gibt es vier katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen (EFL) des Bistums Münster. Das Bistum trägt 58 Prozent der Kosten, die Kommunen zahlen 25 %, das Land NRW 16 %, 1 % sind Spenden.
Beratungsstelle Recklinghausen: Kemnastr. 7, 02361/ 59929
Beratungsstelle Marl: Karl-Liebknecht-Str. 10, 02365/33678
Beratungsstelle Datteln: Heibeckstr. 19, 02363/ 54022
Beratungsstelle Dorsten: Gahlenstr. 7a, 02362/ 24329
Die Beratung ist kostenlos und steht Menschen aller Konfessionen offen. Ein Einzelgespräch dauert in der Regel 50 Minuten, eine Paarberatung 90 Minuten. Beratungstermine werden meist 14-tägig vereinbart. Die Wartezeiten sind unterschiedlich, für Vormittagstermine ist die Wartezeit in der Regel kürzer.
Die Eheberaterinnen und -Berater kommen aus unterschiedlichen Berufen wie Psychologie, Medizin, Theologie oder Sozialpädagogik. Sie verfügen über eine vierjährige Ausbildung zum diplomierten Ehe-, Familien- und Lebensberater oder haben eine Ausbildung in der Familientherapie. Darüber hinaus verfügen manche über spezielle Zusatzausbildungen. (Quelle: EFL)
18. März 2007 | Quelle:
